Keimsteckbriefe
Das „Who is who” der Darmmikroben
Hier finden Sie kurze Beschreibungen zu den routinediagnostisch aus dem Stuhl nachweisbaren Darmkeimen. Dabei werden zwei Gruppen unterschieden:
- Obligate Darmkeime = Vertreter der normalen Standortflora des Darmes
- Passagere Keime = „fremde” Keime, die aus der Außenwelt in den Darm gelangen. Sie werden im gesunden Darm an der Ansiedlung gehindert. Ihr vermehrtes Auftreten ist als Hinweis auf eine gestörte Darmbarriere zu werten.
Escherichia (E.) coli
E. coli ist sicherlich das bekannteste und am besten untersuchte Bakterium der Welt. Im Darm macht es allerdings weniger als 0,1 % der Standortflora aus.
Vorkommen:
E. coli zählt zur obligaten Flora des Dickdarmes bei Menschen und vielen Tieren.
Normbereich/Toleranzbereich:
106-107 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligater Darmkeim.
- Sauerstoffzehrung im Darm, damit Wegbereiter für anaerobe Bakterien.
- Abwehr von Fremdkeimen durch die Produktion kurzkettiger Fettsäuren und Colicine (= mikrobizide Proteine).
- Training des darmassoziierten Immunsystems.
Stoffwechselspektrum:
- Kohlenhydratvergärung mit Produktion kurzkettiger Fettsäuren sowie gasförmiger Metabolite (Wasserstoff und Kohlendioxid).
- Sauerstoffzehrung im Darm, damit Wegbereiter für anaerobe Bakterien.
Escherichia coli-Varianten
E. coli-Varianten weichen in ihrem Stoffwechselverhalten von den Vertretern der residenten Flora ab. In der bakteriologischen Routinediagnostik lassen sich auf einfache Weise zwei Stoffwechselvarianten nachweisen:
A. Laktosenegative E. coli-Varianten
Diese Stämme können den Zucker Lactose nicht verwerten. Der Nachweis erfolgt auf lactosehaltigen Nährböden.
Wichtig: Der Nachweis steht in keinem Zusammenhang mit einer Lactose-Intoleranz des Wirtsorganismus!
B. Hämolysierende E. coli-Varianten
Diese Stämme können Erythrozyten lysieren. Der Nachweis erfolgt anhand der Hämolyse auf bluthaltigen Nährböden.
Vorkommen:
E. coli-Varianten treten als passagere Keime nach der oralen Aufnahme mit der Nahrung vorübergehend und in geringen Keimzahlen auch bei Darmgesunden auf.
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 105 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Passagere Keime.
- Nicht per se pathogen, aber keine belegten positiven Effekte.
- Keimzahl über 105 KbE/g Stuhl gibt Hinweis auf eine Störung der Kolonisationsresistenz. Häufig in Zusammenhang mit Überangebot von Eiweißen im Darm (Fehlernährung, Verdauungsinsuffizienz, Schleimhautentzündungen).
- Nicht gleichzusetzen mit enteropathogenen E. coli (z.B. EHEC). Deren Erfassung erfordert spezielle Diagnostik.
Stoffwechselspektrum:
- Vorwiegend Nutzung von Eiweißen. Produktion von Ammoniak (Alkalisierung des Stuhles) und verschiedenen biogenen Aminen (Histamin, Putrescin, Tyramin etc.).
Sonstige Enterobacteriaceae
Neben E. coli lassen sich im Stuhl auch weitere Vertreter der Familie der Enterobacteriaceae, die mittlerweile ca. 80 Spezies umfaßt, nachweisen. Dabei treten insbesondere Klebsiella spp., Proteus spp., Enterobacter spp. und Citrobacter spp. auf.
Vorkommen:
Klebsiella spp., Proteus spp., Enterobacter spp. und Citrobacter spp. finden sich weitverbreitet in der Umwelt, insbesondere im Boden, Wasser und auf pflanzlichen Materialien.
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 105 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Passagere Keime.
- Keine belegten positiven Wirkungen in der intestinalen Ökologie.
- Keimzahlen im Stuhl über 105 KbE/g Stuhl deuten auf eine Störung der Kolonisationsresistenz oder Fehlernährungen (eiweißreich) bzw. Verdauungsinsuffizienzen (gestörte Proteinverdauung) hin.
- Nachweis von Klebsiella, Enterobacter und Citrobacter im Stuhl bei Personen, die sich rohkostreich ernähren u.U. „Normalbefund". Diese Keime gehören nämlich zur Normalflora vieler Pflanzen.
Stoffwechselspektrum:
- Vorwiegend Verwertung von Eiweißen mit Produktion von Ammoniak (Alkalisierung des Stuhles) und biogenen Aminen (z.B. Cadaverin und Putrescin).
Enterococcus spp.
Vorkommen:
Enterokokken zählen zur obligaten Flora des Dünn- und Dickdarmes.
Normbereich/Toleranzbereich:
106-107 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligate Darmkeime.
- Abwehr von passageren Keimen über die Bildung mikrobizider Substanzen wie kurzkettige Fettsäuren, Wasserstoffperoxid und verschiedene Bacteriocine (Enterocine).
Stoffwechselspektrum:
- Überwiegend Kohlenhydratumsatz mit Produktion kurzkettiger Fettsäuren (z.B. Essigsäure, Propionsäure und Milchsäure). Diese säuern das Darmmilieu an, regen die Durchblutung der Darmmukosa und die Darmmotilität an und decken zu 40-50 % den Energiebedarf der Dickdarmepithelzellen. Daneben besitzen sie auch eine direkte antagonistische Wirkung auf verschiedene passagere Keime.
Andere aerobe Bakterien
Seltener werden im Stuhl auch Vertreter der Gattungen Pseudomonas, Bacillus, Staphylococcus und Streptococcus nachgewiesen.
Vorkommen:
- weitverbreitet, Besiedlung verschiedener Umweltmaterialien (Pseudomonas spp., Bacillus spp.)
-
Bestandteil der Standortflora der Haut und des oberen Respirationstraktes von Mensch und Tier (Staphylococcus spp., Streptococcus spp.).
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 104 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Passagere Keime.
- Keine nützlichen Wirkungen im intestinalen Ökosystem bekannt.
- Keimzahlen über 104 KbE/g Stuhl sind als Hinweis auf eine Störung der Kolonisationsresistenz zu werten.
- Bestimmte Spezies der Gattungen Pseudomonas, Staphylococcus und Bacillus können auch Durchfallerkrankungen hervorrufen.
- ß-hämolysierende Streptokokken werden v.a. bei proktologischen Problemen (Hämorrhoidal-Komplikationen, Analfissuren, Fisteln) oder ausgehend von Infektionsherden im HNO-Raum (z.B. Tonsillitiden, Sinusitiden) aus dem Stuhl isoliert.
Stoffwechselspektrum:
- Bei Pseudomonas spp. und Bacillus spp. steht die Verwertung von Eiweißen im Vordergrund.
- Staphylokokken und Streptokokken treten hinsichtlich ihrer Stoffwechselaktivität meist nicht besonders in Erscheinung.
Bacteroides spp.
Der Einfachheit halber werden die Vertreter der drei obligat anaerob, d.h. nur unter Ausschluss von Sauerstoff wachsenden Gattungen Bacteroides, Prevotella und Porphyromonas in der mikroökologischen Routine häufig unter der alten Gattungsbezeichnung „Bacteroides" subsummiert.
Vorkommen:
Bacteroides spp., Prevotella spp. und Porphyromonas spp. sind obligat an Warmblüterorganismen gebunden und zählen zur Standortflora des Dickdarmes und des Urogenitaltraktes.
Normbereich/Toleranzbereich:
108-1010 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligate Darmkeime, Hauptbestandteil der obligaten Dickdarmflora.
Stoffwechselspektrum:
- Relativ wenig stoffwechselaktiv.
- Neben der Verwertung von Kohlenhydraten v.a. Umsatz von Eiweißen.
- Einige Vertreter können aus Gallensäuren sogenannte Fecapentaene synthetisieren. Diese haben sich teilweise als mutagen (erbgutverändernd) erwiesen.
Clostridium spp.
Clostridien sind obligat anaerob wachsende Keime, d.h. sie wachsen nur unter Ausschluss von Sauerstoff. Über die Ausbildung von Dauerformen (Sporen) sind sie ausgesprochen resistent gegenüber widrigen Umwelteinflüssen. Unter den Clostridien befinden sich einige bedeutsame Krankheitserreger:
Clostridioides difficile als Erreger der Antibiotika-assoziierten Colitis (AAC).
Clostridium perfringens, als Erreger von Toxiinfektionen (unter anderem Verursacher von Lebensmittelvergiftungen). Deren Erfassung bedarf jedoch spezieller Nachweisverfahren.
Die weiteren pathogenen Vertreter dieser Gattung, als Krankheitserreger von Intoxikationen (Cl. botulinum), Toxiinfektionen (Cl. tetani) und Infektionskrankheiten (Cl. chauvoei, Cl. septicum, Cl. novyi) besitzen im Darmkanal des Menschen überwiegend keine klinische Relevanz.
Vorkommen:
Der natürliche Standort von Clostridien liegt im Dickdarm von Mensch und Tieren sowie in der Umwelt (Boden).
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 105 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligate Dickdarmkeime, aber ohne belegte positive Aktivität in der intestinalen Ökologie.
Stoffwechselspektrum:
- Proteine und Fette sind die Hauptsubstrate der Clostridien. Dabei entstehen neben Ammoniak, Schwefelwasserstoff und biogenen Aminen auch steroidale Verbindungen, die nachweislich als Ko-Karzinogene bei der Entstehung von Dickdarm- und Mamma-Karzinomen fungieren können.
- Einige Clostridien spp. vermögen zudem den Steroid-Kern der Gallensäuren zu transformieren (NDH-Clostridien = Nuclear Dehyrogenating-Clostridien). Die entstehenden Metabolite können ebenfalls an der Dickdarmkarzinogenese beteiligt sein.
Bifidobacterium spp.
Bifidobakterien sind Anaerobier, d.h. sie wachsen nur unter Ausschluss von Sauerstoff.
Vorkommen:
Bifidobakterien zählen zur obligaten Flora des Dünn- und Dickdarmes, der Mundhöhle sowie der Vagina.
Normbereich/Toleranzbereich:
108-1010 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligate Darmkeime.
- Hauptbestandteil der Säuglings-Darmflora.
- Abwehr von Fremdkeimen, v.a. über die Produktion von kurzkettigen Fettsäuren.
Stoffwechselspektrum:
- Ausschließlich Verwertung von Kohlenhydraten, im Darm v.a. Ballaststoffe. Dabei ohne Gasentwicklung Produktion von kurzkettigen Fettsäuren, insbesondere Essigsäure sowie in geringerem Maße auch Milchsäure.
Lactobacillus spp.
Laktobazillen wachsen unter verminderter Sauerstoffspannung, zählen also zu den mikroaerophilen Keimen.
Vorkommen:
Laktobazillen gehören zur obligaten Flora des Dünn- und Dickdarmes, der Mundhöhle sowie der Vagina.
Normbereich/Toleranzbereich:
105-107 KbE/g Stuhl
Bedeutung im Darm:
- Obligate Darmkeime.
- Abwehr von Fremdkeimen, v.a. über die Bildung kurzkettiger Fettsäuren (insbesondere Milchsäure), Wasserstoffperoxid und verschiedener Bacteriocine.
Stoffwechselspektrum:
- Laktobazillen sind reine Saccharolyten, die ohne Gasbildung kurzkettige Fettsäuren, insbesondere die namensgebende Milchsäure produzieren und damit u.a. eine Ansäuerung des Darmmilieus bewirken.
Hefen
Derzeit sind etwa 500 Hefe-Arten bekannt. Die größte klinische Relevanz besitzen Vertreter der Gattung Candida, die immerhin fast 200 Spezies umfasst. Die in klinischen Materialien dominierende Art ist Candida albicans. Seltener werden im Darm andere Candida spp., Saccharomyces spp., Trichosporon spp., Torulopsis spp., Rhodotorula spp., Cryptococcus spp. und Sporobolomyces spp. nachgewiesen.
Wichtig: Sprosspilznachweise im Stuhl, insbesondere der Gattung Candida, lassen sich nur im Zusammenhang mit dem Zustand des Wirtes und der obligaten Darmflora adäquat beurteilen. Isolierte Betrachtungen der Keime missachten deren opportunistische Natur. Pilzbesiedlungen des Darmes sind daher immer Sekundärerscheinungen und dementsprechend zunächst symptomatisch als Hinweis auf eine Störung der intestinalen Kolonisationsresistenz zu werten.
Vorkommen:
Hefen kommen weitverbreitet in der Umwelt vor.
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 102 KbE/g Stuhl
Wichtig: Im Stuhl gemessene Keimzahlen spiegeln nicht immer die quantitativen Verhältnisse einer eventuell im Darm stattgefundenen Pilzbesiedlung wider. Die pathogenetische Bewertung von Pilzbefunden darf sich daher nicht sklavisch an der Keimzahl orientieren, sondern muss anhand der klinischen Symptomatik und dem Zustand der Darmbarriere erfolgen.
Bedeutung im Darm:
- Passagere Keime.
- Passagerer Nachweis aufgrund weiter Verbreitung der Hefen auch bei Gesunden möglich.
- Ansiedlung im Darm nur bei gestörter Darmbarriere.
Stoffwechselspektrum:
- Hohe Stoffwechselaktivität.
- V.a. Kohlenhydratumsatz mit Produktion von Kohlendioxid und Ethanol.
- Produktion von Fuselölen (Amyl- und Isoamylalkohol) als Resultat des Stickstoff-Stoffwechsels
Schimmelpilze
Im Stuhl werden v.a. Spezies der Gattungen Geotrichum, seltener Mucor, Absidia, Rhizopus, Aspergillus und Penicillium nachgewiesen.
Vorkommen:
Schimmelpilze sind weit verbreitet in der Umwelt, insbesondere auf pflanzlichen Materialien. Geotrichum spp. gehören zudem zur normalen Mikroflora vieler Milchprodukte (z.B. viele Hart- und Weichkäse).
Normbereich/Toleranzbereich:
Max. 102 KbE/g Stuhl
Bei überwiegend lakto-vegetabiler Kost in Einzelfällen auch höhere Keimzahlen durch erhöhte Zufuhr von Schimmelpilzen mit der Nahrung.
Bedeutung in der intestinalen Mikroökologie:
- Passagere Keime. Vermehrter Nachweis meist auf Ernährung zurückzuführen.
- Darmmykose durch Schimmelpilze in der Regel nur bei schwer immunsupprimierten Patienten (AIDS, nach Chemotherapie, schwerer Diabetes).
- Vermehrter Nachweis von Geotrichum spp. häufig bei Psoriatikern sowie chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen. Bislang aber kein ätiologischer Zusammenhang belegt.
Stoffwechselspektrum:
- Im Darm fallen Schimmelpilze - auch aufgrund des vorwiegend nur passageren Auftretens - hinsichtlich ihres Stoffwechselverhaltens nicht weiter ins Gewicht.
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